Es gibt unzählige Gründe, warum Kleingewerbetreibenden, Freiberuflern und Selbstständigen eine Insolvenz drohen kann. Die schlechte Zahlungsmoral der Kunden ist die häufigste Ursache. Schon ein Verzug von wenigen Wochen kann für viele Selbständige zu einem echten Problem werden.
Eine Insolvenz muss dabei nicht unbedingt die schlechteste Lösung sein. Für Selbständige kann eine Insolvenz durchaus sinnvoll sein, wenn den Schulden aus dem laufenden Betrieb Gewinne gegenüberstehen. Und eine Insolvenz bedeutet keineswegs das Ende der selbständigen Tätigkeit.
Der Gesetzgeber macht`s möglich
Dieses scheinbare Paradoxon lässt sich leicht auflösen. Dafür hat der Gesetzgeber selbst gesorgt. Denn in der Insolvenzordnung ist verankert, dass der Selbständige seine selbständige Tätigkeit trotz eines eröffneten Insolvenzverfahrens weiter fortsetzen kann. Aber auch nicht Selbständige können während des laufenden Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit aufnehmen.
Vorab eines: Es macht natürlich keinen Sinn, die selbständige Tätigkeit während der Insolvenz fortzusetzen, wenn das Geschäftsmodell nicht funktioniert und nicht genügend Überschüsse erzielt werden, um wenigstens den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Denn alle jetzt weiter angehäuften Schulden sind neue Schulden und fallen nicht mehr in die Insolvenzmasse, sondern sind vom Insolvenzschuldner selbst zu tragen.
Aufsichtsmodell oder Freigabe
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, hat der Insolvenzverwalter zwei Möglichkeiten. Er kann die selbständige Tätigkeit unter seine Aufsicht stellen oder er kann die selbständige Tätigkeit freigeben. Das Aufsichtsmodel kommt allerdings in den seltensten Fällen zum Tragen, da für den Insolvenzverwalter die Risiken im Verhältnis zum Erfolg zu groß sind. In aller Regel entscheidet sich der Insolvenzverwalter daher auch für eine Freigabe der Selbständigkeit.
§ 295 Abs. 2 InsO besagt: wenn ein Schuldner selbständig ist, muss er seine Insolvenzgläubiger durch Zahlung an den Insolvenzverwalter so stellen, als wie wenn er in einem angemessenes Arbeitsverhältnis stehen würde. Um ihm dies zu ermögliche, wird der Insolvenzverwalter die durch die Selbständigkeit erzielten Einnahmen aus der Insolvenzmasse freigeben (§ 35 Abs. 2 InsO). Würde er die Einnahmen nicht freigeben, würden alle Einnahmen aus der Selbständigkeit des Schuldners unter den Gläubigern aufgeteilt.
Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit bedeutet für den Insolvenzschuldner, dass er seinen Geschäftsbetrieb in eigener Regie auch während des Insolvenzverfahrens weiter fortsetzen darf. Von der Freigabe betroffen sind nicht nur alle Einnahmen, die der Insolvenzschuldner anschließend erwirtschaftet, sondern auch die notwendige Betriebs- und Geschäftsausstattung, also alle Gegenstände, die zur Fortführung der Selbständigkeit erforderlich sind. Das heißt, der Insolvenzschuldner ist nach der Freigabe wieder für seine Tätigkeit eigenverantwortlich und kann über die erzielten Umsätze und Gewinne frei verfügen. Alle Einnahmen verbleiben zu 100 Prozent beim Insolvenzschuldner.
Nicht betroffen von der Freigabe sind der vorhandene Warenbestand, sowie alle offenen Forderungen gegen Kunden, die vor der Freigabe bereits bestanden.
Aber Achtung: Die Freigabe bringt dem Insolvenzschuldner nicht nur Vorteile, sie beinhaltet auch Pflichten und damit auch einige Risiken.
Grundlage für zu leistende Zahlungen
Selbstverständlich muss der Insolvenzschuldner Zahlungen an den Insolvenzverwalter leisten, die der Insolvenzverwalter an die Gläubiger verteilt. Die Grundlage für die Höhe der zu leistenden Zahlungen orientiert sich nicht an der Höhe des wirtschaftlichen Erfolgs bzw. an dem tatsächlich erzielten Einkommen, das der Insolvenzschuldner aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt. Da er in der Regel keine festen Einnahmen hat, wird gem. § 295 Abs. 2 InsO anhand eines fiktiven Einkommens ermittelt, das der Insolvenzschuldner in einem angemessenen Beschäftigungsverhältnis erzielen könnte. Maßgebend für die Angemessenheit des Beschäftigungsverhältnisses sind dabei Qualifikation, Berufserfahrung und Vortätigkeit des Insolvenzschuldners genauso, wie sein Gesundheitszustand und seine familiären Verhältnisse. Vom fiktiven erzielbaren Nettoeinkommen wird dann der monatlich pfändbare Betrag gemäß der Pfändungstabelle ermittelt. Die an den Insolvenzverwalter zu zahlenden Beträge entsprechen dem pfandbaren Teil des Einkommens.
Chancen und Risiken
Wie gesagt: Chancen und Risiken liegen bei der Freigabe der selbständigen Tätigkeit dicht beieinander. Greift das Geschäftskonzept und wirft Gewinne ab, kann sich der Insolvenzschuldner freuen. Denn die erzielten Gewinne, die über den Einnahmen liegen, die er in einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen könnte, haben keinen Einfluss auf die Höhe der Beträge, die der Insolvenzschuldner an den Insolvenzverwalter zahlen muss. Er kann den erwirtschafteten Betrag für sich behalten und braucht ihn nicht an den Insolvenzverwalter/Treuhänder abführen, weder im Insolvenzverfahren, noch im Restschuldbefreiungsverfahren. Trotz Insolvenz kann sich der Insolvenzschuldner so mitunter ein erhebliches Sümmchen zusammensparen, dass er sich zurücklegen kann für schlechte Zeiten, oder dazu benutzen kann, um das Verfahren mit Zustimmung seiner Gläubiger durch eine Teilzahlung vorzeitig zu beenden.
Neue Schulden vermeiden
Aber Vorsicht: Sollten die erzielten Gewinne allerdings nicht ausreichen, um der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Insolvenzverwalter nachzukommen, droht Ärger. Nicht- oder Minderleistung an den Insolvenzverwalter verletzt die Obliegenheit des Insolvenzschuldners, die Gläubiger durch die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit nicht schlechter zu stellen, als sie im Fall einer unselbstständigen Tätigkeit stünden (§ 295 Abs. 2 InsO). Nicht geleistete Zahlungen können zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen.
Reichen die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit nichts aus, den Geschäftsbetrieb und die private Lebenshaltung zu finanzieren, laufen schnell wieder Schulden auf. Und die fallen nicht unter die Insolvenzmasse.
Professionellen Rat einholen
Bevor ein Selbständiger sich für die Freigabe seiner Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter entscheidet, muss er sich deshalb unbedingt für den Fall der Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit über die Höhe der zu erbringenden Zahlungen Klarheit verschaffen. Die Entscheidung über eine Insolvenz und die Freigabe seiner Tätigkeit sollte nicht ohne einen professionellen, anwaltlichen Rat getroffen werden. Ein versierter Insolvenzanwalt kann die Risiken und Chancen aufgrund seiner Erfahrung sehr gut einschätzen und die Belastbarkeit des Geschäftskonzepts und eines unbedingt erforderlichen Finanzplans prüfen.
Folgen der Insolvenz bedenken
Denn in der Insolvenz geht nicht nur die Bonität verloren, was dazu führt, dass der Selbständige keine Kontokorrentlinie mehr bekommt und Waren und Dienstleistungen bar bezahlen muss, es kann auch zu Kunden- und damit Umsatzverlusten kommen. Die daraus resultierende eingeschränkte Liquidität führt dann in aller Regel dazu, dass die finanzielle Belastungsgrenze schnell wieder überschritten wird. Die Folge sind neue Schulden. All das muss bedacht und berücksichtigt werden.
Wohlverhaltensphase
In der Wohlverhaltensphase, die nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt, geht das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über das Vermögen wieder auf den Schuldner über. Das ist für Selbständige besonders wichtig.
Als Treuhänder mit beschränkten Aufgaben und Befugnissen zieht der Insolvenzverwalter in der Wohlverhaltensphase nur noch die pfändbaren Bezüge des Insolvenzschuldners aus dem laufenden Einkommen bzw. aus dem fiktiven Gehalt ein und verteilt sie an die Insolvenzgläubiger. Weitere Befugnisse hat er nicht. In dieser Phase ist eine Freigabe der Selbständigkeit durch den Insolvenzverwalter nicht mehr erforderlich.